René Aebischer op (23.12.1960 — 8.7.2023)

Fribourger Predigerbruder und leidenschaftlich-humanistischer Vermittler im Nord-Süd-Gefälle

René hatte es nicht weit ins Kloster. Quasi einmal über die Strasse und um den Block. Nicht etwa, dass er (wie es früher nicht selten der Fall war, etwa im Fall von Internatsschüler eines Ordensgymnasiums) einfach den naheliegendsten Weg gewählt hätte. Denn Stadt und Region Freiburg boten zur Jugendzeit des 1960 Geborenen noch immer eine so reiche Palette an geistlichen Lebensentwürfen, wie sie in dieser Dichte nördlich der Alpen wohl einzigartig war. Die Primarschule bei den Mary-Ward-Schwestern bereitete ihn fürs Collège Saint Michel vor, wo er nicht etwa den klassischen Typus, sondern Wirtschaft wählte. Aber weder die dort lehrenden Diözesankleriker noch die Spiritaner oder Marianisten im Quartier scheinen ihn sonderlich beeindruckt zu haben. Ministriert hat er regelmässig bei den Menzinger Schwestern, die wechselnde Doktorats-Hausgeistliche hatten, mitunter benediktinische. 

Nein, seitdem die Dominikaner im Botzet eine öffentliche, moderne, polyvalente Kapelle hatten und die jüngeren Brüder in Ausbildung einige Familien- und Jugendpastoral-Formate anboten, war René immer öfters im Saint-Hyacinthe anzutreffen.

Klugerweise schlug man dem inzwischen eintrittswilligen Maturanden vor, erst mal ein «Stage» im Ausland zu machen. Das erlaube es ihm, den Orden in seiner internationalen Dimension wahrzunehmen. So trat René seine erste Afrikareise an. In Ruanda und Burundi arbeiteten Kanadische mit Schweizer Predigerbrüder seit den 1950er Jahren zusammen in verschiedenen Projekten. Gereift und gesinnungsmässig gewissermassen fürs Leben geeicht kam er nach diesem Jahr zurück, um so bald als möglich, also nach Noviziat und Studium 1987, frisch zum Priester geweiht, nach Kigali zurückzukehren. Das von fr. Guy Musy gegründete Bureau Social Urbain strukturell zu konsolidieren, wurde ihm ein grosses Anliegen, die damit verbunden Strassen-Kinder-Projekte zur Leidenschaft. Nach sechs intensiven Jahren, während deren er insbesondere dank Kurzwellensender mit seiner Heimat regelmässig in Kontakt blieb, zwang ihn der Ausbruch des Genozids 1994 zur abrupten Heimkehr. Caritas Schweiz, zumal jahrelang Zusammenarbeitspartner in den dortigen Projekten, bot ihm nunmehr Gelegenheit, als Projektverantwortlicher «Katastrophenhilfe Rwanda» von Zürich aus, wo er fortan wohnte, seine Erfahrungen einzubringen. 

Renés Lebensmittelpunkt blieb zwar Zürich. Als Mitglied des neuen Gemeinschaftsprojekts, domiziliert an der Mission catholique de langue française, stellte er seit 1999 sein Engagement auf zwei Beine. Einerseits leistete er priesterliche und seelsorgerliche Dienste als Pfarradministrator zuerst kurz in Oberrieden, dann in Dietikon (2000-2009) und schliesslich seit 2010 in Kloten und Bassersdorf ZH. Anderseits blieb er seiner Leidenschaft, der nachhaltigen Entwicklungszusammenarbeit auf Augenhöhe, treu. Ob als Entwicklungspolitischer Berater der Kinderhilfsorganisation Human Help Network in Mainz von 1995 bis 2005, beim Fastenopfer – 1996-2002 als Mitglied Expertenkommission Mission, anschliessend bis 2012 im Stiftungsrat – oder als Geistlicher Beirat bei der Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH, heute: AGIAMONDO), für die er zwischen 2011-2017 monatlich eine Woche nach Köln reiste: die Leidenschaft, sich für die Würde aller Menschen auch im geo- und kirchenpolitischen Machtgefälle einzusetzen, behielt er bis zum Schluss.

René war deswegen etwa keinesfalls Asket. Er lebte gern und gut. Aber ein die Motorik beeinträchtigendes Nervenleiden und insbesondere die heimtückische Krebserkrankung setzten ihm seit mehreren Jahren zusehends zu. Dass dem Gourmet in den letzten Monaten der Geschmacksinn abhandenkam, war schwierig mitanzusehen. Er erhoffte sich bis zuletzt Besserung und eine Steigerung der Lebensqualität, wenn auch auf kurze Zeit, was ihm durchaus bewusst war.

Wenngleich er vom ultramontanen Fribourg nie etwas gehalten hat, will ich ihm die Spitze nicht ersparen, ihn als Konservativen zu loben: im Festhalten an und Pflegen von Freundschaften, überhaupt Beziehungen, Familienritualen, Ordensbräuchen und andern Ticks war er im besten Sinne ein Wertkonservativer. In seiner unerschütterlichen Treue und Verlässlichkeit, mit denen er seine Beziehungen pflegte: seine Freundschaften, seine Arbeitsbeziehungen, seine Familienbande, in der Art, wie er mit den Menschen umging, wie er die Schwachen stärkte und die Mächtigen derangierte, war der Christusfreund erkennbar.

René Aebischer ist am letzten Freitag im Friedhof Saint-Léonard in Freiburg beigesetzt worden. 

Peter Spichtig op, Oberer der Dominikanergemeinschaft Zürich

Bruder René Aebischer (Foto: Bernard Hallet)

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